Steirischer Impressionismus

Joseph Marx

1882 - 1964

Er war einer der wichtigsten Vertreter der österreichischen Spätromantik um die Mitte des 20. Jahrhunderts: Joseph Marx, hörbar ein Zeitgenosse von Richard Strauss. Seine Musik ist prachtvoll, klangschwelgerisch, bietet sozusagen die steirische Synthese aus französischem Impressionismus und deutscher Nachwagner’scher Tradition.
Der Grazer, virtuoser Pianist und wortgewandter Anwalt einer an der Tradition geschulten, die Tonalität wahrenden, aber phantasievoll erweiternden musikalischen Moderne, war als Lehrer eine der prägenden Persönlichkeiten des österreichischen Musiklebens der Zwischen- und Nachkriegsära.

Große Interpreten

Lange Zeit erfreuten sich seine Lieder größter Beliebtheit - Prominente Interpreten wie Lotte Lehmann, Irmgard Seefried, Wilma Lipp oder Waldemar Kmentt haben Aufnahmen gemacht; in jüngster Vergangenheit haben sich Christiane Karg, Juliane Banse oder Angelika Kirchschlager ausgewählten Stücken des reichen Erbes (über 150 Lieder!) angenommen. In seinen Orchesterwerken schöpft Marx aus wienerisch-symphonischen Quellen. Zentrales Werk ist die Herbst-Symphonie, ein Stück gewaltigen Ausmaßes, das nebst den einschlägigen Kompositionen von Franz Schmidt als Musterbeispiel dafür dienen kann, dass neben der radikalen Moderne durchaus Entwicklungslinien zur sogenannten Postmoderne führen, die freilich von den ästhetischen Diskussionen und Doktrinen der Nachkriegsära zunächst unterdrückt wurden.


Satte Spätromantik

Die eruptive, satte Spätromantik von Joseph Marx zeichnet auch seine pittoreske Nordlands-Rhapsodie aus (Programm-Musik nach dem Roman Islandfischer von Pierre Loti).
Dem Titel zum Trotz, ist diese Rhapsodie eine Art austriakische Antwort auf Debussys La mer, eine ausgewachsene viersätzige Symphonie, die hören läßt, daß sich die Filmmusik jener Jahre aus dem Klangfundus der zeitgenössischen Musik bediente - nicht nur bei Korngold! - und die noch dazu ganz und gar nicht rhapsodisch durch thematische Verwandtschften formal zusammengehalten wird.

Aus dem ersten Satz der Nordlands-Rhapsodie


Verborgene Zeitkritik

Zum 100-Jahr-Jubiläum der Wiener Philharmoniker komponierte Marx 1942 seine Alt-Wiener Serenaden: Das unter Karl Böhm im Musikverein uraufgeführt Stück lässt hinter der klassizistischen Fassade für Hellhörige durchaus auch Zeitkritik durchschimmern. Dass Marx in jener Zeit in seiner Heimat geblieben ist, hat man ihm nach 1945 übel angekreidet. Doch hat die Aufarbeitung seines Brief-Nachlasses genügend Beweise für seine integre Haltung erbracht.

Die CD fördert die Renaissance

Mittlerweile sorgt eine rührige Joseph-Marx-Gesellschaft für die Pflege seines Schaffens. Sie hat auch die ersten Aufführungen der großen Herbst-Symphonie nach jahrzehntelangem Schweigen angeregt und etliche CD-Projekte mit Marx'scher Musik: So hat das "Trio Alba" Marx' große Fantasie für Violinie, Cello und Klavier eingespielt: mit viel Sinn für die (für Marx typischen) oft weit gespannten harmonischen Abenteuer, die freilich immer wieder rechtzeitig in eine Dur- oder Moll-Oase münden. Der rührige Leon Botstein hat mit seinem American Symphony Orchestra die Herbst-Symphonie aufgeführt. Der Mitschnitt ist im Internet abrufbar. Auf cpo erschienen die drei Streichquartette, musiziert von Thomas Christian und seinem Ensemble, diverse Kammermusik und Orchesterwerke wie die Frühlingsmusik und die Feste im Herbst mit dem RSO Wien unter Johannes Wildner. Einige kleinere Orchesterwerke und Chöre, voran der prächtig Herbstchor an Pan, liegen in einer BBC-Einspielung unter Jiri Belohlavek auf Chandos vor.

Angelika Kirchschlager widmete, begleitet von Anthony Spiri eine ganze CD (cpo) dem Liedschaffen von Joseph Marx, mündend ins allzeit populäre Hat die die Liebe berührt.